Ich glaube, wir könnten um fünf Uhr früh aufstehen...und kämen doch nicht früh genug weg. Unsere Radtouren beginnen eigentlich immer erst Mittags. Meistens hat man dann schon ein kleines Hüngerchen, und so legen wir nach 2 Kilometern die erste Rast ein. In einem netten Park in Warendorf. Ich weiß gar nicht, wieso wir glaubten, dass Warendorf irgendwie nichtssagend ist. Dieses mal führt uns Komoot durch die "historische Altstadt" - wir waren hier schon...sozusagen eigenverantwortlich...und fanden alles unspektakulär - aber Komoot weiß, was es tut. Wir fahren durch schnuckelige Gässchen und viele Menschen sitzen schon vor den Restaurants und Cafe´s...unter schönen schattigen Bäumen. Ist doch irgendwie nett hier. Dann ein Stück an der Ems entlang - viele Radfahrer sind unterwegs.
Nachdem wir unser Picknick verdrückt haben, fahren wir dann mal Fahrrad. Richtung Sassenberg...aber hier gibt es ja das Eisgeschäft Zanella. Hier müssen wir auf jeden Fall mal anhalten und ein Eis schnabulieren. Vor der Eisdiele stehen komische Leute um ein Auto herum. Frau mit Kleidung aus den 20iger-Jahren...ein Mini-Eishörnchen in der Hand...und ein spackiger Jüngling poussieren vor einem roten Cabriolet und ein Fotograf gibt Befehle...dann Szenenwechsel: die Frau hat ein anderes Eishörnchen in der Hand - das findet Andreas besonders interessant...und der Jüngling darf sich ins Auto setzen. Und wieder wird fotografiert. Dann muss sich die Dame so positionieren, dass sie sich im blank polierten Auto spiegelt. Was man doch so auf einer Radtour alles sieht.
Nun...es ist drei Uhr...und wir sind mal gerade 10 km gefahren, aber haben schon jede Menge Pausen gemacht. Jetzt aber man los. Von Sassenberg Richtung Füchtorf...eine schöne Strecke. Wir kommen wieder an einem Kühlschrank vorbei, aus dem Andreas einen Rhabarber-Aprikosen-Fruchtaufstrich zieht, und ich eine Schlangengurke und eine Zuccini für 90 Cent einkaufe. Ein Radfahrer kommt auf uns zu: "Feldmarksee! Wo issen der?" Andreas erklärt ihm gleich den Weg und ist in null komma nix auch auf seinem Fahrrad und jagt hinter dem Typen her. Als ob er dabei sein will, wenn der Mensch falsch abbiegt und er ihm noch zurufen kann: "halt, falsch...hier gehts lang." Manchmal denke ich in solchen Situationen, Andreas möchte den Suchenden direkt zum Ziel bringen. Andreas ist, glaube ich, so ein typisches Kind aus Hameln. Der Flötenmann - und mein Mann hinterher. Ich bin ja die Zickige von uns beiden. Was ist denn das überhaupt für ein Benehmen? Kein "eine Frage, bitte" oder "Können Sie mir vielleicht sagen, wo hier der See ist." Ich hätte ja eine Karte gehabt, hätte er ja hineinschauen können. Zu spät...vorbeigeschwommen.
Ich hole Andreas kurz vor dem See ein. Was für ein Getümmel. Hier ist ein Strandbad, sind Angler,Tretbootfahrer, Radfahrer, Spaziergänger, Restaurantbesucher und natürlich wir...wir machen hier keine Pause...viel zu viel Gewusel.
Wir fahren eine wirklich schöne Strecke, nette Straßen, manchmal auch durch Waldstücke...das hat Komoot feingemacht. Ich bin kurz davor, dieser Radtour 5 Sterne zu geben, aber Andreas sagt, nee, 5 Sterne kriegt nur die Tour mit 10 Biergärten.
Aber halt - da ist ja schon einer. Wir sind am Dinkelhof Horstmann. Das ist sehr idyllisch hier. Tische, Stühle unter Bäumen oder auch wer mag in der prallen Sonne.
Weil gerade ein Pärchen aufsteht, bekommen wir sogar einen Schattentisch an einer Hecke. Andreas will ein Bier und eine Frikadelle...mir reicht ein Getränk...ich bin noch satt vom Eis...und heute abend wollen wir ja in Einen im Westfälischen Hof noch richtig essen. Also bringe ich Andreas auch keine Frikadelle mit...ätsch! Hier ist es schön, wir können Leute beobachten...Andreas beantwortet noch eben auf seinem Handy ein paar mails...und dann gehts weiter.
Nur ein paar Meter weiter ist ja schon wieder ein Biergarten...hach...ich bekomme noch meine 5 Sterne zusammen. Aber im Kloster Vinnenberg ist heute geschlossene Gesellschaft. Ich luke durch die Büsche...hui...schöne Tische mit weißen Hussen geschmückt...also etwas vornehmes heute nachmittag. Wir fahren weiter und hier heißt alles nur Schirl. Eigentlich sollte man die Radtour umbenennen. In : Rund um Schirl. Wir fahren nach Schirl hinein...und wieder hinaus...und schon sind wir wieder in Schirl drin. Dann kommt Ostbevern. Und wieder Schirl. Die Schirlheide...und weiter gehts in Schirl. Plötzlich ist Schirl weg. Aber dann gibt es Überwasser. In Überwasser, um Überwasser und um Überwasser herum. Wir machen noch einmal eine kurze Pause vor Einen. Hier gibt es eine Fahrradreparaturstation. Also, eigentlich ist Station zu viel gesagt. Es ist eine Säule, erfreulicher Weise vollständig intakt...mit allem notwendigem Werkzeug, um an einem Rad herumschrauben zu können...und sogar mit Luft. Andreas ist begeistert und macht ein Foto für Komoot. Ich soll aus dem Bild. Schade. Bestimmt nur, weil ich nichts 20iger-jahremäßiges anhabe.
Und dann in Einen. Es ist halb sieben. Der Westfälische Hof ist so ein halber Inder und heute gut besucht. Wir finden leider im Garten unter den Bäumen beim riesengroßen Buddha keinen Platz mehr. Also müssen wir vorne sitzen. Hier ist es nicht so schön, und leider funktioniert auch der Rest nicht so gut. Wir müssen ewig lange aufs Essen warten. Nicht nur wir - Eltern mit einem Kleinkind haben zwei Eisbecher bestellt, die vielleicht nach einer Stunde erst serviert werden. Wir bekommen aber mit, dass viele Menschen sich Essen abholen...ist ja dann klar, dass irgendjemand auf der Strecke bleibt. Aber als das Essen dann kommt, ist es wie erwartet, sehr gut. Wir zahlen zügig...schließlich müssen wir noch einige Kilometer fahren. Das letzte Stück Weg ist noch einmal sehr sehr schön. Wieder auf dem Ems-Radweg ab Müssingen...und zu dieser späten Stunde...es ist mittlerweile 21 Uhr...ist auch kaum noch jemand unterwegs und es ist total ruhig auf den Wegen.
Auf dem Nachhauseweg finden wir noch schnell eine Tankstelle...und ich diskutiere mit Andreas, ob die Tour nicht wenigstens 4 und einen halben Stern bekommen kann. Andreas ist strikt dagegen, es gibt keine halben Sterne...und dann schläft er einfach ein...