Wir starten in Nottuln. Nach 5 Kilometern ist mir klar, warum diese Tour nur 3 Sterne von uns bekommen hat. Im Moment wäre ich allerdings nur bereit, 2 Sterne zu vergeben. Ellenlange Straßen - mal mehr - mal weniger befahren...auch mit schnellen Motorrädern. Nee...gefällt mir nicht. Das kann nicht einmal unser Picknick-Pausen-Kühlschrank herausreißen.
Wir fahren Richtung Billerbeck...aber fahren nicht nach Billerbeck rein, sondern biegen so ungefähr zwischen Lutum und Hamern auf die Münsterländer Radbahn ein. Jetzt wird es schön. Wir fahren am "Freistaat Hamern" vorbei. Das ist eine Stöberecke. Ein Anwohner am Radweg lädt mit vielen lustigen Schildern die Radfahrer(innen) in seinen Hof ein. Dort steht eine steinerne Eckback unter einem schattigen Baum (keine Eiche!) und er hat in eine Art Schrank ohne Türen Regale mit jede Menge Zeugs bestückt, Sachen, die man selber - wenn man dann hat - auf dem Dachboden lagern würde. Kleines Kinderspielzeug, einen Schminkkoffer...Bücher von Hanni und Nanni. Die Bank ist ideal zum Pause machen...etwas weg vom Radbahntrubel...ein Hund bellt und der Eigentümer kommt um die Ecke..."Hallo", sagt er, "ich bring noch was zu lesen - alte Bravos." Ich bin erstaunt: " Ja, gibt´s die denn noch - aus welchem Jahr denn?" Die Bravos sind von 2008. "Natürlich gibts noch Bravo", sagt Andreas, der sich schließlich nicht nur im digitalen sondern auch im echten Leben auskennt. "Gibt´s denn Doktor Sommer auch noch?" "Klar, was dachtest du denn." - Halloo!!! Als ich dreizehn war, war der Typ doch schon alt, bestimmt 40 Jahre, der müsste doch schon tot, oder zumindest Rentner sein. "Dr. Sommer ist doch ein Team, das Dr. Sommer-Team", weiß Andreas. "Wusstest du das nicht?" "Nein", sage ich, "ich dachte, das wäre wirklich so ein netter symphatischer Doktor..." Andreas fragt nochmal nach: "und du hast wirklich die Bravo gelesen?" "Klar", sag ich, "ich habe sogar den Bravo-Starschnitt von Ricky Shayne und Alice Cooper gesammelt." "Wie...du weißt wer Ricky Shayne ist?" "Jetzt nicht mehr", lache ich, "aber damals schon." Andreas ist fassungslos - er schüttelt den Kopf: Ricky Shayne...ttt... "Und Alice Cooper", sag ich schnell. Vielleicht rettet mich das jetzt noch? Aber das interessiert Andreas schon nicht mehr. Unser Gartenbesitzer hat interessiert zugehört und wünscht uns jetzt noch einen schönen Tag. Andreas erklärt mir noch, dass er auch die Bravo gelesen hat, so von 12-14...aber er kann mir nicht sagen, welchen Starschnitt er lebensgroß an seine Wand gepappt hat. Oder will es nicht sagen...vielleicht ja Diana Rigg oder Marianne Rosenberg...
Weiter gehts auf der Radbahn bis Darfeld. In Darfeld ist Samstags am Vormittag auf dem Bahnhofsvorplatz immer Markt - dort hat Andreas vergangenes Jahr das letzte Brot am Bäckerstand errungen...ich muss nicht erwähnen, dass das Brot zu Hause nie angekommen ist. Schmeckt ja auch verdammt lecker, so ein frisches Brot. Heute ist Sonntag und kein Markt. Auf der Wiese vor dem Bahnhofsgelände steht ein Feldsofa. Der jenige, der die Sonne am besten vertragen kann, legt sich natürlich sofort auf die Schattenseite. Andreas sieht Schirme. Er vermutet: ein Biergarten...und gleich fällt ihm ein, dass er keine Maske dabei hat. Im Auto vergessen. Gut, dass ich auf alles vorbereitet bin. Ich will ihm eine Maske für 10 € verkaufen. Andreas meint, das sei ja Wucher. Ich finde, man muss sehen, wo man bleibt. Aber schon bekommt das Wort "Maskenskandal" noch eine ganz andere Bedeutung. Ich versuche es anders: " Ich gebe dir eine Maske für deinen Schattenplatz!" Andreas beschließt a), dass ich bescheuert bin...und b) dass er ja überhaupt gar nicht in einen Biergarten will. "Schließlich haben wir ja gerade gepicknickt." "Man muss nehmen, was sich einem in den Weg stellt, sage ich "wer weiß, wann der nächste Biergarten kommt." Aber tatsächlich ist es kein besonders schöner Biergarten, da ist der Park direkt gegenüber mit einem Kneipp-Fußbecken und Bänken viel netter anzusehen. Ansonsten hat Darfeld nicht viel zu bieten, wie wir bei einem Rundgang durch den Ort feststellen. Die Darfelder mögen mir verzeihen. Hagen hat eigentlich auch nicht viel zu bieten. Also sind wir quitt. Und wir haben noch nicht einmal so eine coole Radbahn.
Dann mal weiter über Aulendorf - Straße!!! - nach Poppenbeck...ab da wird´s gemütlicher. Wir fahren nette Wege...an heimeligen Wohnhäusern und kuscheligen Gärten vorbei. An einzelnen Bauernhöfen...und kommen schließlich zu unserem "Pausen-Kühlschrank." Zwei Bänke umrahmen eine Art Leiterwagen, auf dem ein riesengroßer Kühlschrank mit durchsichtiger Tür steht. Bis auf Alkohol bekommt man hier jede Art von Getränken...und es gibt auch Kinderriegel. Eier und Marzipanhonig kann man auch kaufen...und das begeistert den IT-ler, alles ist mit Paypal bezahlbar. Hier sitzen wir eine Weile und geben 10,50 € aus.
Es kommt noch einmal eine blöde Straße und dann sind wir in Havixbeck. Hier ist ein bisserl mehr los. Es gibt sogar zwei Apotheken, Drogerie, Pizzeria...noch ein paar Geschäfte für Schmuck und Kleidung ...und es gibt Eis. Andreas möchte sitzen...und so nehmen wir ohne Test und ohne Maske (da hat Andreas aber Glück gehabt - ich bin nicht sicher, ob ich ihm wirklich eine Maske GESCHENKT hätte) an einem der zahlreichen Tische Platz und essen leckeres Spaghettieis.
Dann gehts weiter...noch einmal eine ziemlich dumme Straße, aber auch einige Kilometer wieder nette Waldwege, an einem Bach vorbei...wir müssen auch klettern und landen in Schapdetten. Hier machen wir nochmal eine kurze Pause auf einer Bank, auf der steht, dass Schapdetten irgendeinen anderen Verein in Schapdetten grüßt. Kurz vor Fahrradtourende fahren wir noch an einer Gaststätte vorbei...die Draußenplätze sind gut besucht...die Gaststätte ist in einem alten Backsteingebäude untergebracht...das sieht ja hier richtig schnuckelig aus. Andreas will keine Pause mehr machen und meint, dass zu Hause eine halbe Tüte Kartoffelchips auf ihn wartet.
Wir sind am Auto...und uns einig: okay...die 3 Sterne gibts zu Recht. Viel Straße...ja...aber auch viel Nettes drum herum...und vielleicht bekommt man das Nette nur zu sehen, wenn man die bescheuerten Straßen fährt.